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Ist der katholisch-jüdische Dialog in Gefahr?

Irritation und Verunsicherung greifen um sich.

Benedikt XVI relativierte in seinem Artikel „Gnade und Berufung ohne Reue“ (in: Communio, Juli/August 2018) zwei grundlegende Aspekte der theologischen Fundamente, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (Nostra Aetate) den Beginn des christlich-jüdischen Gespräches ermöglichten:

  • die „Ablehnung der Substitutionslehre“
  • den „nie gekündigten Bund“.

Auch wenn Benedikt XVI emeritierter Papst ist und deshalb keine autoritativ lehramtlichen Dokumente mehr in Kraft setzen kann, gibt diese kritische Hinterfragung theologischen Fachleuten Anlass zu großer Sorge. Dieser Artikel ist nicht geblieben, wofür er geschrieben wurde: Als private Anmerkungen, als private theologische Reflexion und „zur persönlichen Verwendung“ wurde er dem Präsidenten der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum Kurt Kardinal Koch anvertraut.

Kardinal Koch hat in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Communio“ diesen Artikel von Benedikt XVI veröffentlicht (mit dessen Einverständnis) – und schon vor seiner Veröffentlichung waren Irritation und Verunsicherung, u.a. in der Presse, unüberhörbar. Die Zukunft des christlich-jüdischen Dialoges gerät im Zweifelsfall ins Wanken angesichts dieser eingehend kritischen Hinterfragung seines theologischen Fundaments.

Die Brisanz der Veröffentlichung dieses Artikels liegt laut mehreren katholischen Theologen vor allem in den Unklarheiten, die durch seinen Inhalt und die Veröffentlichung durch eine offizielle vatikanische Kommission erzeugt wurden. Zudem ist an keiner Stelle des Geleitwortes von Kardinal Koch erkennbar, dass die bisherigen lehramtlichen vatikanischen Äußerungen zu den Beziehungen zum Judentum wertgeschätzt werden und weiterhin als Grundlage für den christlich-jüdischen Dialog gelten sollen:

  • Warum werden theologische Fundamente des christlich-jüdischen Dialoges kritisch hinterfragt, aber neue tragfähige Grundlagen nicht ausgeführt?
  • Warum wird eine derart wichtige Thematik innerhalb des christlich-jüdischen Dialoges ohne die jüdische Theologie diskutiert?
  • Warum drängt Kardinal Koch als Verantwortlicher der katholischen Kirche für die religiösen Beziehungen zum Judentum auf die Veröffentlichung dieses Artikels, der mehr Fragen aufwirft als Verbindendes anbietet – und dessen Inhalt er selber als Antwort im Rahmen eines „vertieften theologischen Dialoges“ zwischen der Katholischen Kirche und dem Judentum bezeichnet?
  • Ist derzeit absehbar, ob mit der Veröffentlichung des Artikels von Benedikt XVI signalisiert werden sollte, dass dessen Inhalt eine Autorisierung von Seiten der Vatikanischen Kommission erhalten wird?

Die lehramtlichen vatikanischen Dokumente seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, wie z.B. die Erklärung „Nostra Aetate“ und ihre Bestätigung nach 50 Jahren „Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ (2015), sind unentbehrliche Grundlagen und erfreuliche Weiterentwicklungen für den katholisch-jüdischen Dialog. In der Tradition stehen auch die klaren Äußerungen von Papst Franziskus in der Schrift „EVANGELII GAUDIUM“ (2013) über die Beziehungen der Christen zum Judentum. Nicht weniger deutlich und positiv hat sich Benedikt XVI selber in seiner Amtszeit über die Bedeutung der Schrift (Altes Testament) für das Christentum positioniert („Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel“, 2001/2013).

Das Präsidium des Deutschen Koordinierungsrates ist sehr irritiert und hält umgehende Klärungsgespräche für unumgänglich. Für das Engagement des Deutschen Koordinierungsrates im christlich-jüdischen Dialog ist die katholische Kirche ein sehr wichtiger Partner. Die vermeintlich stabile Brücke zwischen Kirche und Judentum kommt allerdings ins Wanken, wenn die theologischen Fundamente derart in Frage gestellt werden und keine neuen in naher Zukunft erkennbar sind.
 

Bad Nauheim, 17. Juli 2018

Präsidium des Deutschen Koordinierungsrates
der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit